Am 19. Dezember 2016 besuchte das Team von Smarter Together = Gemeinsam g’scheiter die Stadt Graz.
Smarter Together = Gemeinsam g’scheiter im Austausch mit Graz.
Am 19. Dezember 2016 besuchte das Team von Smarter Together = Gemeinsam g’scheiter Graz, weil die Stadt in Sachen Mobilität und Wärmeversorgung interessante Innovationen umsetzt, die durchaus auch für Smarter Together bzw. Wien interessant sein könn(t)en, auch wenn sie nicht eins zu eins übertragbar sind.
Gleichzeitig war es ein Anliegen, die eigenen Erfahrung bei der Antragsstellung zum EU-Projekt den KollegInnen aus Graz zur Verfügung zu stellen, weil diese derzeit die eigene Bewerbung gemeinsam mit Berlin und Amsterdam zur Smart City-Folgeausschreibung im Rahmen des EU-Programmes Horizon 2020 vorbereitet, bei der Wien 2015 erfolgreich war.
Insgesamt ist eine Kooperation für beide Städte in den Bereichen Smart City und internationale Präsenz von Interesse, weil sie die Standortattraktivität Österreichs stärkt. Der Austausch zwischen Fachleuten aus beiden Städten (Peer to Peer) bietet aufgrund des gemeinsamen staatlichen Rechtsrahmens und der gemeinsamen Geschichte besonders zahlreiche Anknüpfungspunkte, die unmittelbar abgerufen werden können.
tim = Integrierte multimodale Mobilitätspunkte bzw. Mobilitäts-Hotspots
Der Vormittag war Fragen der integrierten urbanen Mobilität gewidmet. Graz hat etwa 280.000 EinwohnerInnen. Die Grazer Stadtwerke setzen derzeit ein neues integriertes Mobilitätskonzept um, das unter dem Titel tim : täglich – intelligent – mobil firmiert. tim-Standorte sind zentralisierte Mobilitäts-Hotspots in Graz. Das Smarter Together-Team besuchte sowohl das Kundenzentrum als auch den Mobilitäts-Hotspot am Hasnerplatz.
Moderne integrierte bzw. intermodale Mobilitätsangebote sind eine wichtiger Beitrag zur Erreichung der Klimaziele ebenso wie zur Verbesserung Lebensqualität und tragen zur Standortattraktivität der Stadt bei. Relevant ist aber auch die Einbettung der Angebote in die realen Lebensumstände der GrazerInnen. So kam etwa in Graz in der aktuellen Phase ein Bike-Sharing nicht in Betracht, weil bereits jetzt bis zu 80 % private Fahrräder nutzen.
Das intermodale Angebot umfasst derzeit – gesammelt an den Mobilitäts-Hotspots – ein E-Car-Sharing (A to A, also Verleih und Rückgabe am selben Ort), E-Zapfsäulen, E-Taxis, tim-Leihwagen mit konventionellen Autos sowie eine Anknüpfung an den öffentlichen Verkehr und Fahrradabstellplätze.
Eine erster Mobilitätspunkt wurde am Hasnerplatz eingerichtet, wobei die einzelnen Angebote räumlich nahe beieinander, aber aufgrund des Platzbedarfs nicht nebeneinander angeboten werden. Weitere fünf Mobilitätspunkte sollen noch 2017 eingerichtet werden. Insgesamt sollen 18 Mobilitätspunkte auf das gesamte Stadtgebiet verteilt werden. tim-Hotspots sind einheitlich gebrandet und verfügen alle über charakteristische Merkmale wie eine tim-Säule mit Wiedererkennungswert und einen weithin sichtbaren interaktiven Touchscreen, bei dem insbesondere die E-Autos reserviert werden können (wenn etwa gerade das Handy-Akku leer ist).
Neben den rein technischen Aspekten waren im Informationsaustausch auch der Konzeptionsprozess, die Strategie, das Branding, die Kommunikation, die politische Dimension und das kontinuierliche Qualitätsmanagement (KVP) im Informationsaustausch besonders relevant.
tim – multimodale Knoten in Graz
tim E-Auto-Standplatz mit Lademöglichkeit und tim-Säule.
tim-Touchscreen am Hasnerplatz in Graz.
KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess) beim Mobilitätspunk
Methodisch interessant war zu sehen, dass die als prioritär identifizierten politischen Ziele mit modernen Managementmethoden prozesshaft umgesetzt werden.
Dazu zählt die lange wissenschaftliche Vorlaufzeit, bei der eingehende Machbarkeitsstudien, KundInnenbefragungen und –analysen durchgeführt wurden, oder das Abfragen internationaler Erfahrungswerte. In dieser Phase wurden mögliche Lösungen auch konkret ausgetestet (z.B.: Wie montiere ich einen Kindersitz in einem Leihauto? Was passiert, wenn ich den Schlüssel vom Leihauto verlege? Wie viele Kundenkarten habe ich schon in meiner Geldbörse, hat da noch eine zusätzliche Karte Platz?)
In den Entscheidungsfindungsprozess zu den tim-Mobilitäts-Hotspots wurden zudem unterschiedliche Akteure einbezogen, so etwa private Wohnbauträger oder private Unternehmer und die Wirtschaftskammer. Resultat war ein durchgehendes Design und eine integrierte Konzeption der angedachten multimodalen Mobilitätspunkte.
Anschaulich wurde das Konzept des KVP (Kontinuierlicher Verbesserungsprozess, engl. CQI Continuous Quality Improvement) umgesetzt.
Der erste Mobilitätspunkt am Hasnerplatz wurde erst nach eine langen Vorlaufphase umgesetzt bzw. ist Resultat eines eigenständigen Vorgängerprojektes. Die nächsten vier Mobilitäts-Hotspots werden erst nach einer eingehenden Evaluierung und Feedbackschleife umgesetzt. Erst nach weiteren Feedbackschleifen werden schrittweise weitere, insgesamt 18 über das gesamte Stadtgebiet verteilte Mobilitätspunkte eingerichtet. Damit soll gewährleistet werden, dass die neuen integrierten, multimodalen Mobilitätsangebote auch von den künftigen NutzerInnen angenommen werden und konkret die Mobilitätspunkte insgesamt einen nachhaltigen Erfolg verzeichnen bzw. zu einer globaleren Umweltstrategie beitragen.
Hier geht’s zu noch mehr tim-Filmen.
Integrierte Abwärmenutzung
In Sachen Luft- und Umweltqualität steht die Stadt Graz vor einer doppelten Herausforderung im Sinne der Erreichung der Pariser Klimaziele und der Erhaltung der Lebensqualität. Einerseits weist die Stadt Graz aufgrund ihrer Beckenlage eine im Vergleich zu Wien viel häufigere Inversionswetterlage auf, was einen ungünstigen Einfluss auf die Luftqualität hat. Zudem wurde aufgrund Rückzugs des Verbunds aus dem Kraftwerkspark Mellach 2020 die Notwendigkeit einer völligen Umstrukturierung des Fernwärmeangebots akut und es muss die Fernwärme-Versorgung der Stadt Graz strategisch neu geregelt werden. Graz als Smart City ist somit mehrfach gefordert.
Der Besuch des Smarter Together-Teams fokussierte sich auf die Abwärmenutzung der Papierfabrik Sappi in Gratkorn nordwestlich von Graz.
Dabei tritt die speziell in der Steiermark und in Ostösterreich besonders gut verankerte Firma BioEnergie aus Köflach mit ihrem speziellen Know How als Vermittler zwischen dem Anbieter der Abwärmeenergie und der Stadt Graz auf. BioEnergie plant, projektiert und betreibt zahlreiche Anlagen zur Erzeugung von alternativer Energie und leistet auch hier wertvolle Dienste. Bei Sappi etwa ist sie in der Lage, Abwärme aus niedrigeren Temperaturen in einem hochkomplexen mehrstufigen Verfahren auf höhere Temperaturen zu bringen, die dann im Fernwärmenetz verwertbar sind.
Mit der industriellen Abwärme des Unternehmens Sappi werden ab 2017 rund 18.000 Grazer Haushalte versorgt. Abwärme wird aus der Eindampfanlage, der kombinierten Strom-Wärme Produktion und aus biogenen Brennstoffen wie Rinde und Lauge gewonnen. Anschließend wird die ökologisch wertvolle Wärme über eine rund neun Kilometer lange Transportleitung durch die BWS GmbH nach Graz geleitet und in das Fernwärmenetz der Energie Graz mittels Wärmetauscher eingespeist. Durch dieses Projekt werden rund 15 % des aktuellen Fernwärmebedarfs im Raum Graz abgedeckt. Die geplante Wärmemenge ist ca. 150.000 MWh p.a. Mit der Umsetzung wird eine Einsparung von jährlich bis zu 20.000 Tonnen CO2-Emissionen erzielt (Zit. Energie Graz).
Die Abwärmenutzung von Sappi ist nur eine der Säulen der neuen Energieversorgungsstrategie der Stadt Graz, die nun auf multimodale Lösungen setzt.
Grazer Fernwärme-Einspeisstellen.
Expertenaustausch mit Sappi und BioEnergie (Siegfried Scheibner).
EU-Projektantrag: Harte und weiche Faktoren einer erfolgreichen Projekteinreichung
Für die Grazer Gastgeber von besonderem Interesse waren die Erfolgsfaktoren der Wiener Projekteinreichung von Smarter Together = Gemeinsam g’scheiter.
Die vermittelten Erfahrungen konnten natürlich nur subjektiv sein, weil die Entscheidung ja in Brüssel fiel bzw. die fachlich sehr kondensierte Begründung der Europäischen Kommission nicht alle Aspekte beinhalten kann.
Wahrscheinlich aber war die Entscheidung begründet im Mix zwischen Vision und konkreten technischen Daten und Parametern, in der Einbettung des Projektantrags in die urbane Realität der antragstellenden Städte Wien, München und Lyon und in der glaubhaften Vermittlung des Willens aller Beteiligten, eine gemeinsame europäische Vision weiterzuentwickeln und zu vertiefen sowie diese lokal umzusetzen, um sie in der Folge auch als Ausgangspunkt nachfolgende Projekte und Strategien zu verwenden. Dabei wurden innovative Ansätze im Vergleich zur EU-Projektausschreibung, insbesondere die Betonung der Bedeutung der Partizipation und der Lernprozesse in der Stadt (Stichwort Governance Learning), offensichtlich durchaus als willkommener Mehrwert gesehen.
Zur Bildergalerie vom Besuch in Graz auf Flickr geht es hier.
BS