Voneinander lernen in Sofia
Workshop BürgerInnenbeteiligung in Sofia
Die Bedeutung einer „Vision“
Ein Schwerpunkt des Treffens in Sofia am 11. und 12. Juli 2017 war BürgerInnenbeteiligung. Bedarf es dazu einer Strategie oder gar einer „Vision“ bzw. einer konkret ausformulierten Zielvorstellung für diesen Politikbereich? Wer sind die handelnden Personen und Einrichtungen? Wie wird sie derzeit gehandhabt? Ist das zufriedenstellend? Oder soll diese weiterentwickelt werden? In welche Richtung? Nach welchen Vorbildern?
Die Schlüsselergebnisse eines spannenden europäischen Erfahrungsaustausches seien hier wiedergegeben.
Was ist eine „Vision“ / Zielvorstellung im Hinblick auf BürgerInnen-Beteiligung?
Eine „Vision“ ist – nach den Regeln der Betriebswirtschaftslehre – eine positive und konkret auf den Punkt gebrachte und ausformulierte Zielvorstellung, ein Bild dessen, was als künftiger Zustand gewünscht ist. Idealerweise ist es ein gemeinsames Verständnis aller Beteiligten, Ausdruck einer gemeinsamen Wertevorstellung und Orientierungsprinzip, das das Wesen einer Strategie ausdrückt, die wiederum in Programmen und Projekten ihren Niederschlag findet. Damit wird auch die Grundlage für ein kontinuierliches Qualitätsmanagement (Monitoring und Evaluation) sowie ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) gelegt.
In diesem Sinn ist der Projektname „Smarter Together = Gemeinsam g’scheiter“ eine programmatische Vision, der tatsächlich alle Projektaktivitäten und die Akteure – erfolgreich – leitet und Resultate zeitigt.
Als Quintessenz der Projektidee von Smarter Together wurde folgende Zielvorstellung formuliert:
Smart and Inclusive Solutions for a Better Life in Urban Districts
Oder, ins Deutsche übertragen:
Soziale und technische Innovationen für ein lebenswertes Stadtviertel
Vision
Warum bedarf es seiner „Vision“ im Hinblick auf BürgerInnenbeteililgung?
Am Beginn jeder Zielformulierung (im Sinnes eines aktiven Gestaltens) steht eine noch recht allgemeine Beurteilung der Situation. Diese erhält in der Folge in einer detaillierteren SWOT-Analyse (Schwächen-Stärken-Potentiale-Gefahren-Analyse) mehr an Aussagekraft. Eine Analyse der Akteure und Stakeholder und das weit verbreitete allgemeine „Gefühl“ über den Zustand der Gesellschaft und des sog. sozietalen Dialogs führt im gegentändlichen Fall in Bulgarien zur Schlussfolgerung, dass zumindest noch Platz für weitere Verbesserungen ist – insbesondere was die Frage der BürgerInnenbeteiligung / Partizipation betrifft. Und diese Feststellung ist durchaus auf andere Länder übertragbar.
Bisweilen mag dieses „Gefühl“ auch stärker emotional behaftet sein. Dann kann es eine diffuse Frustration oder Unzufriedenheit sein. In jedem Land haben Politik, die Politiker und die Verwaltung(en) ein gewisses Image, teilweise zu Recht, teilweise sicher nicht. Aber auch die Zivilgesellschaft und die BürgerInnen selbst haben ihre eigene Logik, Denkmuster und Erwartungshaltungen, seien diese nun berechtigt oder auch nicht ganz realitätsnah. Letztere gilt es allerdings jedenfalls in ihrer Subjektivität zu respektieren.
Klar formulierte Zielvorstellungen („Visions“ im Englischen) sind ein wichtiges Instrument der aktiven Zukunftsgestaltung.
Auf allen Ebenen, sei es auf europäischer, auf der der Mitgliedsstaaten oder spezifischer im Hinblick auf BürgerInnenbeteiligung können „Visions / Zielvorstellungen“ entweder Resultat eines gemeinsamen Verständnisses und geteilter Wertevorstellungen sein. In diesem Fall werden die Beteiligungs-Aktivitäten ohne großes Aufsehen umgesetzt und gelebt. Im zweiten Fall können aber auch bewusst partizipativ erarbeitete „Visions / Zielvorstellungen“ durchaus Synergien schaffen und Ausgangspunkt einer positiven gesellschaftlichen Dynamik sein.
Idealerweise wird deshalb eine „Vision“ – ebenso wie die auf dieser aufbauende Strategie zu ihrer Umsetzung und Verwirklichung – unter Einbeziehung aller Akteure (Experten, Fokusgruppen, Stakeholder, BürgerInnen) erarbeitet. Vision wie auch die ihr entspringende Strategie müssen einem regelmäßigen Monitoring und einer periodischen Überprüfung (engl. Evaluation) unterworfen und entsprechend angepasst werden (wobei die für Strategien in einem stärkeren Maß und bei Visionen in einem geringeren Maß umfassend sein sollte).
Workshop Impression: partizipative Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses einer Vision
Workshop Impression: partizipative Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses einer Vision
Kernfrage BürgerInnenbeteiligung und „Vision“, Strategie und institutionelle Rahmenbedingungen:
Eine Kernfrage im Hinblick auf BürgerInnenbeteiligung ist, ob es genügt – vor allem aus bulgarischer Sicht –, dieses Anliegen pragmatisch auf der Ebene von einzelnen Verwaltungseinheiten und Abteilungen (Ministerien, Gemeinden usw.) zu verankern oder aber ob es einer übergeordneten „Strategie“ und „Vision“ bedarf.
Eine Schlussfolgerung ist, dass je höher der gesellschaftliche Konsens über BürgerInnenbeteiligung ist – durchaus als Partnerschaft und gegenseitige Verantwortung verstanden –, desto wahrscheinlicher ist es, dass BürgerInnenbeteiligung nicht nur eine ad hoc Entscheidung ist, die auf dem Wohlwollen der Akteure beruht. Eine gemeinsame „Vision“ und eine übergeordnete Strategie macht also durchaus Sinn.
In einer ersten Phase können aber auch konkrete, pragmatische Aufgabenstellungen zu mehr „BürgerInnenbeteiligung“ auf jeder Ebene durchaus konkreten Fortschritten führen. Dabei machen alle Akteure, sei es Politik, Verwaltung und BürgerInnen durch die gelebte Praxis kleiner oder gar minimaler Schritte gemeinsam einen Lernprozess durch, der zudem vertrauensbildend wirkt. Dabei kristallisiert sich schrittweise eine gemeinsame Wertevorstellung heraus, die dann strukturiert zu einer gemeinsamen Bestimmung der „Vision“ führt.
Eine auf einer gemeinsamen „Vision“ und Strategie ruhende Herangehensweise, wird nicht nur die spezifischen Interessen einer „BürgerInnenbeteiligung“ im engeren Sinn bedienen, sondern auch globaleren Zielen, wie der gesellschaftlichen Integration und der gesellschaftlichen Dynamik. Gerade das ist nicht nur in Transitionsländern von Bedeutung.
Ohne Partizipation keine notwendige umweltfreundliche Sanierung von privatisierten Mehrparteienwohnhäusern. Hier: ein typisches Beispiel aus Sofia.
Ohne Partizipation keine individuelle Nutzung der Öffis. Hier: E-Bus im Testbetrieb in Sofia.
Ohne politischem Konsens keine Priorisierung und keine Öffi-Finanzierung, hier: U-Bahn-Ausbau in Sofia.
English Summary (Englische Kurzfassung)
On 11th and 12th of July 2017, a special workshop on citizen’s participation was held during the meeting of Smarter Together lighthouse cities and Bulgarian H2020 follower cities.
A special focus was given to the issue of participation and an intensive workshop tackled the key question whether to have or not to have a structured strategy and vision on citizen’s participation. A common understanding is that currently there is a general rather undefined defiance against governance and governance itself puts apparently – according to some participants – no holistic emphasis on this issue or at least not in the way some might imagine. However, participants agreed that there is a need of a more structured approach as only this can provide long term societal change – not only in regards to citizen’s participation as such but moreover as a contribution to societal integration and societal dynamics.
What is a Vision?
A vision is in terms of public managent a positively defined, affirmative picture of what is wanted to be or to be achieved in a specific area in the future. It is most of all and ideally a common understanding of all involved, a shared value and guiding principle, an essence of the strategy that again defines programs and projects as well as the processes ensuring continuous quality management (monitoring, evaluation) and quality improvement (action) (CQI – Continuous Quality Improvement).
Why is a Vision Needed?
At the start, a situation analysis (SWOT or Maxi-Maxi or other), a stakeholder analysis and a wide spread feeling on the societal framework lead to a conclusion that either things are frustrating or at leasr unsatisfying and that there is certainly – as everywhere – place for improvement. Politics have a certain image, governance is perceived in a certain way, civil society acts often by its own logic and rules, citizens do or do not participate or do or do not contribute to a societal integration and common vision.
On all levels, either European, State wide, sectorial or more specifically in regards to citizen’s participation, a vision either defines a common understanding leading future action or contributes to create synergies or a positive societal dynamics.
Hence, ideally, a vision – as well as a strategy leading to its realization and implementation – is elaborated in a participatory way (experts, focus groups, stakeholders, citizens). Both, vision and strategy, are subject to monitoring and regular revue and eventually updating (the strategy more, the vision ideally in a minor way).
Key question regarding the approach on citizen’s participation vision, strategy and institutional structure:
A key question is if there is a need of a common citizen’s participation strategy or if citizen’s participation has to be included in the work and action of different departments, ministries, local governance etc.
Eventually, the higher the societal consensus on citizen’s participation is, the more it is likely that citizen’s participation is not only an ad hoc action based on the good will of actors but a structured approach contributing to higher goals such as integration and societal dynamics. However, a concrete inclusion of the goal “citizen’s participation” on every level will ensure its concrete implementation in the everyday life as well as a development of the concepts, methods, knowledge and trust amongst actors.
BS